Erinnern Sie sich an die Holzstühle in Ihrer Schule? Jede und jeder von uns ist schon auf so einem Stuhl gesessen. Ohne sich Gedanken zu machen, wo er herkommt oder was mit ihm passiert, wenn er sein Lebensende erreicht hat. Im Idealfall stammt er aus Holz aus einem österreichischen Wald. Er wurde in einem Sägewerk entrindet und entastet. Diese wertvollen Rohstoffe wurden anderweitig verarbeitet. Aus dem Holz formte eine Tischlerei den Stuhl. Nachdem hunderte Kinder auf dem Stuhl die Schulbank drückten, wird das Holz weiterverarbeitet – zum Beispiel zu einem weiteren Möbelstück. Erst wenn das Holz nicht mehr verwertet werden kann, wird es verbrannt und schenkt uns Wärme.
DAS ist Kreislaufwirtschaft. Jeder Bestandteil eines natürlichen Rohstoffs wird genutzt, danach neu verarbeitet oder recycelt bis er das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat. Doch unser aktuelles Wirtschaftssystem sieht anders aus. Wir verbrauchen mehr Ressourcen als nachwachsen können. Wir produzieren Produkte und wenn wir sie nicht mehr brauchen, werfen wir sie weg und kaufen etwas Neues. Das hat immense Auswirkungen auf die CO2-Emissionen und macht uns abhängig von endlichen Ressourcen. Unsere Wirtschaft ist von der Natur entkoppelt.
Deshalb ist die Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Bestandteil des European Green Deals. Beim Panel „Gamechanger Circular Economy and Bioeconomy“ am Donnerstag, 16.3.2023, am Innovationsfestival salz21 sprachen Expert:innen und Anwender:innen aus der Wirtschaft darüber, wie wir von unserer jetzigen linearen zu einer zirkulären Wirtschaft kommen. Das Panel wurde von Innovation Salzburg veranstaltet.
Von Beton bis Verpackung
Wie Materialien wiederverwendet oder anders genutzt werden können, zeigt etwa die Bauwirtschaft. Im Bau stehen große Veränderungen an, ist er doch für 30 bis 40 Prozent der Emissionen verantwortlich. Doch es geht auch anders: Salzburg Wohnbau errichtet aktuell ein Gebäude, das zu 80 Prozent aus wiederverwendeten Materialien erbaut wird. Das funktioniert, indem Beton von alten Gebäuden recycelt oder Holz wiederverwendet.
Neben der Kreislaufwirtschaft ist auch Bioökonomie ein Thema, mit dem sich viele Unternehmen auseinandersetzen. Bioökonomie bedeutet, dass künstliche Materialien gegen natürliche ersetzt werden. Besonders bei Lebensmittelverpackungen ist das herausfordernd. Denn es gilt, nicht nur Plastikverpackungen zu reduzieren, sondern sie tatsächlich auch zu ersetzen. Darüber hinaus müssen im Lebensmittelbereich strenge Hygienevorschriften eingehalten werden. Derweil gelingt das am besten mit PET, weswegen die Abhängigkeit der Lebensmittelindustrie hier sehr groß ist. PET zu ersetzen, ist eines ihrer größten Herausforderungen.
Alte Maschinen für neue Materialien
Doch nicht nur bei den Hygienevorschriften, sondern auch bei der Produktion selbst stehen Unternehmen vor ungeahnten Hindernissen. Bestehende Produktionsanlagen im Lebensmittelbereich sind für „alte“ Materialien gemacht. Neue Rohstoffe haben andere Anforderungen – sie sind beispielsweise hitzeempfindlicher und dehnbarer – und sind daher mit den alten Maschinen nicht kompatibel. Investitionen in neue Anlagen sind teuer. Und meistens müssen Unternehmen auch ihre Lieferant:innen bei der Transformation zu einem anderen Material mit einbeziehen. Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie funktioniert daher nur über die gesamte Lieferkette hinweg. Gelingt das, kann auch eine kritische Masse erreicht werden. Einzelkämpfer haben es am Markt schwer, sich durchzusetzen. Doch wenn viele Unternehmen neue Materialien einsetzen, beschleunigt sich die grüne Transformation.
Tobias Stern, Vorstand des Instituts für Umweltsystemwissenschaften der Universität Graz und Bioeconomy Austria Netzwerkpartner, sieht dafür die Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg: „Biökonomie kann im Hinblick auf grünes Wachstum und Emissions-Reduktion ein echter Gamechanger sein. Dazu braucht es Netzwerke wie Bioeconomy Austria, die alle Akteure der Wertschöpfungskette an einen Tisch holen.“
Die grüne Transformation muss auch wirtschaftlich rentabel sein. Dass der Umstieg hohe Kosten mit sich bringt, merkt auch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Die Nachfrage nach Förderungen steigt stetig an. Rund 60 Millionen Euro steuert die FFG jährlich zu Forschungsprojekten zu dem Thema bei. Neben gezielten Förderungen braucht es außerdem bessere gesetzliche Rahmenbedingungen, wie Unternehmen Rest- und Altstoffe nutzen können und dürfen. Im Bau dürfen beispielsweise nur 38 Prozent Betonrezyklat verwendet werden. Die Technologie ermöglicht aber bereits hundert Prozent.
Weniger ist mehr
Beim Paradigmenwechsel von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft müssen wir auch die Endlichkeit natürlicher Ressourcen mitbedenken. Ein beliebter Rohstoff ist Holz, was unserem waldreichen Österreich zugutekommt. Doch 88 Prozent des Holzzuwachses werden bereits verwendet. Die restlichen Vorräte stehen in kleinen privaten Wäldern und sind daher schwer zu erschließen. Der Druck auf unseren Wald ist groß. Es gilt daher, nicht nur Rohstoffe zu ersetzen, sondern generell sehr umsichtig und sparsam mit Ressourcen umzugehen.
Technologien allein werden es jedenfalls nicht richten. Wir brauchen eine Wirtschaft, die sich an der Natur orientiert. Der zentrale Baustein einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie ist die Gesellschaft, welche die Kosten mitträgt. Das Bewusstsein für die Wertigkeit von endlichen Ressourcen muss steigen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass die Menschen wissen, was und wie sie am besten recyceln. Wir müssen lernen, mit den Ressourcen besser umzugehen, damit uns diese nicht ausgehen. Karin Huber-Heim, Executive Director beim Circular Economy Forum Austria betont die Bedeutung einer behutsamen Nutzung wertvoller Ressourcen und ein Bewusstsein für nachhaltigen Konsum: „Entscheidend ist, dass wir jetzt alle gemeinsam und gleichzeitig damit anfangen.“
Das Panel wurde organisiert von Innovation Salzburg, Bioeconomy Austria und dem Salzburger Wissenschafts- und Forschungsrat. Bioeconomy Austria ist das Tor zur Bioökonomie in Österreich. Das wachsende Netzwerk steht allen interessierten Organisationen offen: www.bioeconomy-austria.at
Mit diskutiert haben:
- Wilfried Haslauer, Landeshauptmann Salzburg
- Henrietta Egerth-Stadlhuber, FFG
- Harald Hauke, Altstoff Recycling Austria
- Karin Huber-Heim, Circular Economy Forum Austria
- Diana Reuter, Gebrüder Woerle
- Tobias Stern, Institut für Umweltwissenschaften/Universität Graz
- Roland Wernik, Salzburg Wohnbau
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