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Foto: Ursula Maier-Rabler

6. August 2020

Salzburger Innovationsgeist: Ursula Maier-Rabler

Ursula Maier-Rabler (Center for Information and Communication Technologies & Society an der Universität Salzburg und Beiratsmitglied der ditact) spricht im Interview über die ditact, Hinderungsgründe für Frauen in MINT-Berufen und wie sich diese überwinden lassen.

Die ditact women’s IT-studies steht vor der Tür. Die Veranstaltung vom 1.-12.9.2020 der Universität Salzburg mit zahlreichen Partnern bietet IT-Kurse ausschließlich für Frauen an. Bereits zum 17. Mal können Frauen Kurse zu vielen verschiedenen Themen wie Programmierung, Robotik, aber auch zu IT-Management und Karriereplanung und vielen anderen Themen besuchen.

Ursula Maier-Rabler ist eine der treibenden Kräfte hinter der ditact. Sie ist Assistenzprofessorin und stellvertretende Leiterin der Abteilung Center for Information and Communication Technologies & Society an der Universität Salzburg. Die Kommunikationswissenschafterin ist Expertin für die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung. Als Beiratsmitglied und Projektverantwortliche bei der ditact gestaltet sie diese Veranstaltung maßgeblich mit.

Die ditact richtet sich ausschließlich an Frauen. Warum ist es notwendig, dass man eine eigene IT-Veranstaltung für Frauen veranstaltet?

Das wird immer sehr breit diskutiert, aber es ist leider tatsächlich nach wie vor notwendig. Ich kann die Argumente gegen Veranstaltungen wie die ditact verstehen, dass man Frauen eine besondere Rolle gibt oder Frauen es besonders notwendig hätten, in der IT-Nachhilfeunterricht zu bekommen. Das steht bei der ditact aber nicht im Vordergrund. Das Ziel ist, eine Umgebung für Frauen zu schaffen, in denen sie ungestört von solchen Vorurteilen arbeiten können. Gerade im IT-Bereich sind Männer dominierend im Auftreten. Für Frauen ist es schwierig, sich da durchzusetzen. Wir wollen ihnen das Selbstvertrauen geben, dass sie in der IT genauso gut sein können, wenn nicht sogar besser. Wir schaffen bei der ditact eine frauenspezifische Lernumgebung, zum Beispiel haben wir ausschließlich weibliche Lektorinnen, damit Frauen auch in der IT-Lehre und nicht nur in der Praxis sichtbar werden. Sie dienen den Frauen als Vorbilder.

Dieser Ansatz hat sich gut bewährt. Es gibt nur eine Ausnahme. Wir haben ein eigenes Modul für Lehrerinnen und Lehrer, da arbeiten wir auch mit der pädagogischen Hochschule zusammen. Die Vermittlung von IT beginnt bereits in der Schule, da ist es wichtig, die Lehrerschaft einzubinden. Daher sprechen wir in diesem „Smarte Schule“-Modul auch beide Geschlechter an.

Was sind Hinderungsgründe für Frauen in MINT-Fächern? Warum sind Frauen da nicht so vertreten?

Da gibt es viele Gründe, die zusammenspielen. Einerseits hängt es von der häuslichen Sozialisation ab – in welchem Umfeld wachsen Mädchen auf, wie sehr werden in der Familie alle Interessen gleichermaßen gefördert, auch die technischen Interessen bei den Mädchen. Das Zweite ist die Sozialisation im Kindergarten und in der Schule. Es wird bereits viel unternommen, um Technik den Mädchen zu vermitteln, aber nur an der Oberfläche. Es herrscht leider immer noch ein unbewusster Geschlechterbias, dass Technik nur etwas für die Jungen ist. Das wird meistens gar nicht erkannt. Studien belegen, dass man sich bei Mädchen mit leicht schlechteren Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften zufriedengibt und dass Mädchen generell eine Spur besser beurteilt werden. Man gibt ihnen das Gefühl, sie sind genau auf dem Level wie die Jungen. Erst an der Uni merken sie, dass sie Defizite in diesen Fächern haben.

Die Schule ist eine Vorbildmaschine. Was sehen Mädchen denn für weibliche Vorbilder? Das ist in der Schule sehr stark der Lehrberuf. Generell aber auch Berufe, die sehr weiblich besetzt sind, wie die Pflege und Sozialberufe oder im akademischen Bereich die Geisteswissenschaften, vielleicht noch Biologie. Aber leider gibt es wenige Vorbilder in technischen Berufen, wie in den Ingenieurwissenschaften und Berufe, die sich mit der Digitalisierung beschäftigen.

Was muss sich ändern?

Da muss sich viel ändern. Man darf nicht nur den Mädchen und Frauen den schwarzen Peter zuschieben und von ihnen verlangen, dass sie sich ändern müssen. Es muss sich auch die Technik ändern, es muss sich die Technik-Ausbildung ändern, es muss sich das Informatikstudium ändern. Wir müssen von den klassischen, männlich geprägten Lehrplänen wegkommen, die sehr stark konkurrenzorientiert sind, sondern viel stärker auf agiles und projektorientiertes Studieren setzen, in dem man die Ziele des Projekts oder Ausbildung in den Vordergrund stellt. Verständnis wecken, dass man mit Informatikprojekten oder mit einer Softwareentwicklung zur Verbesserung von Situationen beitragen und Lösungen für Probleme finden kann. Das spricht Frauen stärker an als „ich kann jetzt Java programmieren“. Da ist im Ausbildungsbereich, sowohl an den FHs als auch auf den Unis, sehr viel Nachholbedarf.

Haben Sie Tipps für Frauen, die eine Karriere im IT-Bereich starten wollen?

Es ist für Mädchen und Frauen wichtig, Chancen zu ergreifen, um in den IT-Bereich hineinschnuppern zu können. Sie sollen Veranstaltungen wie die ditact wahrnehmen, oder schon früher, zum Beispiel im Rahmen von Girls-Days, bei denen Mädchen in eine Software-Firma hineinschnuppern können. Diese Möglichkeiten gilt es zu ergreifen. Das sind auch die Schulen gefragt, das zu vermitteln, damit Mädchen auf die Angebote aufmerksam werden. Die Schulen müssen auch Begegnungen mit Firmen, mit der Praxis ermöglichen. Mädchen sehen dort, dass Informatikerinnen oder Softwareentwicklerinnen nicht sogenannte „Grottenolme“ sind – dieses Klischees gibt es leider immer noch – sondern dass das ganz normale Frauen sind. Das ist ein wichtiger Punkt.

Man muss auch aufzeigen, dass es in der Digitalisierung oder in der Informatik oder informatiknahen Berufen auch Abstufungen gibt. Ein Mädchen muss nicht Core-Software-Entwicklerin werden. Grade im Bereich agiles Projektmanagement braucht es Schnittstellenkompetenzen, wo man schon mit einem technischen Grundverständnis ausgestattet sein muss, aber auch Projektverständnis und Problemverständnis braucht. IT bedeutet nicht, dass man den ganzen Tag an einer Maschine sitzt.

Das Kursprogramm der ditact ist sehr vielseitig. Welche Themen und welche Mischung sind ihnen da wichtig?

Es ist wichtig, dass der Kern der ditact „echte“ Informatikthemen anspricht. Aus Erfahrungen aus den vielen Jahren der ditact haben wir gelernt, dass je breiter und je anwendungsorientierter und je sozialwissenschaftlicher die ditact wird, desto eher wird von den Männern in der Informatik die Veranstaltung nicht ernst genommen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch Informatiker davon Notiz nehmen, dass wir wirklich Top-Cutting-Edge Informatikthemen im Programm haben: neueste Programmiersprachen, neueste Entwicklungen im Blockchain-Bereich, im Algorithmen-Entwicklungsbereich, KI etc. Wir haben zwei Module, wo wir sehr stark Echt-Informatikinteressierte ansprechen. Das ist wichtig, dass das bleibt.

Aber wir haben dann auch Zwiebelringe darum herum. Es gibt ein Modul, wo es um die Anwendung geht, wie etwa um geografische Informationssysteme oder Anwendungen in der Medizintechnik oder Logistik. Und dann führen wir ein Modul im Programm, wo es um neue Formen des IT-Projektmanagements geht. Das sind unsere Kernanwendungsmodule. Wir haben auch ein kleines Modul, wo es um geschlechtsspezifische Fragen in der IT geht, um die Frauen auf IT-Berufe vorzubereiten. Da geht es um Themen, beispielsweise wie handle ich einen guten IT-Vertrag heraus. Diese Dinge sind ebenfalls wichtig für die Teilnehmerinnen.

Die ditact gibt es seit 17 Jahren. Da hat sich die Digitalisierung mittlerweile auch schon ein bisschen verändert!

Das ist richtig. Deswegen würde man es heute auch nicht mehr IT-studies nennen. Der Begriff Digitalisierung kam erst später auf. Wir haben uns von der IT zur Digitalisierung weiterentwickelt. Auch in unseren Themen und in unserem Spektrum. Gerade vor dem Hintergrund, dass viel mehr Frauen als Gestalterinnen in der Digitalisierung und Technik mitwirken sollen und nicht nur als Anwenderinnen der Technik. Da kritisiere ich auch viele MINT-Initiativen, weil oft nur die Technik in der Ausführung vermittelt wird. Wir müssten viel mehr Entscheiderinnen hervorbringen, die in den Gremien sitzen und entscheiden, welche Projekte werden gefördert, welche Digitalisierung ist interessant. Da gehören noch viel mehr Frauen hinein.

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