20210609_Aktuelles_Wie Hörimplantate besser heilen
Im GMP-Labor wird in Reinraumumgebung geforscht (Foto: PMU/wildbild)

8. Juni 2021

Wie Hörimplantate besser einheilen

Winzige Teilchen, die von menschlichen Stammzellen abgegeben werden, sind die sogenannten extrazellulären Vesikel. Die weltweit erste Verabreichung von Therapeutika, die auf Vesikeln basieren, fand in Salzburg statt. Damit können unter anderem Hörimplantate besser einheilen. Das Forschungsteam rund um Mario Gimona und Eva Rohde fand heraus, dass Vesikel viel mehr können als bisher gedacht.

Vesikel haben die Fähigkeit, entzündliche Prozesse zu unterdrücken und dadurch die Narbenbildung zu reduzieren. Diese Eigenschaften bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Anwendung in der modernen Medizin. Im renommierten Fachjournal „Journal of Extracellular Vesicles“ berichten die Salzburger Forscher:innen Mario Gimona und Eva Rohde über ihre Forschung an Vesikeln und deren Hilfe beim Einheilen von Hörimplantaten.

Hörimplantate oft mit Entzündungen verbunden

Hörverlust ist die häufigste neurodegenerative Störung beim Menschen, von der weltweit mehr als 450 Millionen Menschen betroffen sind. Für viele Patient:innen ist ein chirurgisches Einsetzen eines Hörimplantats erforderlich. Dabei können aber Nebenwirkungen auftreten, wie akute oder chronische Entzündungen durch den Eingriff selbst, oder als Reaktion auf den Fremdkörper. Diese können das bereits erkrankte Innenohr weiter schädigen. Die Zerstörung von weiteren Innenohrzellen kann dazu führen, dass das restliche Hörvermögen gänzlich verschwindet. Derzeit gibt es aber keine Begleittherapien zum Einsetzen von Hörimplantaten.

Vesikel-Therapie schützt Ohr bei Hörimplantation

Bereits in ihren Vorarbeiten konnten die Salzburger Forscher:innen Mario Gimona und Eva Rohde zeigen, dass die Verabreichung des sogenannten nanovesikulären Therapeutikums nach Lärmschädigung die Sinneszellen im Ohr schützen und den Hörverlust verringern kann. Die Forschung fand in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover statt. Dadurch vermuten die Wissenschaftler:innen, dass Vesikel von menschlichen Stammzellen therapeutische Wirkungen im Innenohr entfalten und Entzündungen abschwächen können.

Im Fachjournal „Journal of Extracellular Vesicles“ berichten die Salzburger Forscher:innen über die weltweit ersten Verabreichung des Therapeutikums beim Menschen. Eine 24-monatige Nachbeobachtungszeit ist Teil der Studie.

Ein Patient mit beidseitigem Hörverlust erhielt 2014 das erste Hörimplantat. 2018 wurde ein zweites, identisches Implantat, diesmal aber in Kombination mit der gleichzeitigen Verabreichung des nanovesikulären Therapeutikums eingesetzt. Innerhalb der Nachbeobachtungszeit gab es keine medizinischen Auffälligkeiten, die auf eine problematische Reaktion des Körpers auf das Therapeutikum schließen lassen. Im Gegenteil: Es wurde sogar eine Verbesserung des Sprachverständnisses auf der Seite beobachtet, auf der das Therapeutikum angewendet wurde. Derzeit wird eine weiterführende klinische Studie vorbereitet.

Salzburg als Vorreiter in der Vesikelforschung

Die Forschung in der modernen regenerativen Medizin hat sich im Lauf der Zeit von der Erforschung der Vorläuferzellen hin zu Gewebezellen entwickelt. Daraus hat sich schließlich das Konzept ergeben, ausschließlich extrazelluläre Vesikel anstelle ihrer lebensfähigen Elternzellen zu verwenden. Beobachtungen einer verbesserten Regeneration nach Schlaganfällen sowie der Abschwächung von Nervenentzündungen und Narbenbildung nach Rückenmarksverletzungen haben das Konzept gestärkt, extrazelluläre Vesikel zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen zu verwenden.

Unter höchstmöglichen Qualitätsvorgaben werden diese Therapien deshalb in Salzburg hergestellt. Beteiligt ist das GMP-Labor des Zentrums für Querschnitt- und Geweberegeneration (SCI-TReCS) der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (PMU). GMP steht für Good Manufacturing Practice, also gute Herstellungspraxis, und damit auch für die Einhaltung der pharmazeutischen Vorgaben und Regelwerke.

Forschungszentrum für therapeutischen Einsatz

Ziel der Salzburger Forscher:innen ist die Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit nanovesikulärer Therapeutika in klinischen Studien. Dafür wurde 2019 das Transferzentrum für Extracellular Vesicles Theralytic Technologies (EV-TT) von Mario Gimona und Eva Rohde (PMU) gemeinsam mit Nicole Meisner-Kober (PLUS) gegründet. Das EV-TT entwickelt neue Technologien für den therapeutischen Einsatz von extrazellulären Vesikeln. Im Mittelpunkt steht die Unterstützung von Heilungsvorgängen und die Wirkstoffverabreichung. Das EV-TT ist ein Leitprojekt der Wissenschafts- und Innovationsstrategie (WISS 2025) des Landes Salzburg und wird vom Land und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, Investitionen in Wachstum und Beschäftigung (IWB/EFRE) gefördert.

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